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Wortbrücke Quasimodogeniti 2023

„Und er ist doch auferstanden“ – Thomas und die alten Wunden

Wir alle wissen, wie unangenehm das“ Bohren in alten Wunden“ sein kann. Sowohl im wörtlichen Verständnis, wenn an einer alten, nicht völlig verheilten Verletzung rühren oder angefasst werden, ebenso wie im übertragenen Sinn, wenn etwas sehr Unangenehmes, Verdrängtes, aus dem Vergessen, Halbvergessen hervorgezerrt wird. Alte Wunden möchten wir möglichst in Ruhe lassen.

Thomas, der Jünger Jesu, möchte das Vergangene hinter sich lassen. Schlimm genug, dass nach allen Hoffnungen und Erwartungen, aller frohen Spannung über diesen großartigen Prediger, Propheten und Heiler Jesus alles vollständig zusammengebrochen ist. Die traumatische Erfahrung mit Prozess, Verbrechertod am Kreuz und endgültige Grablegung ist mehr als genug für Thomas. Auch wenn er mit seinen alten Freunden, der Jesus-Truppe, zusammen ist: „Lasst dieses Wunde jetzt in Ruhe und vielleicht notdürftig verheilen, wenn überhaupt. Der Schmerz ist einfach zu groß. Nicht anfassen!“

Deshalb ist Thomas so schroff ablehnend, als seine Freunde ihm erzählen: „Der Her ist auferstanden, wahrhaftig!“ Thomas blockt ab, sowohl in rationaler Überlegung als auch in innerer Abwehr. Er führt sich in seinen Wunden nochmals verletzt, veralbert, durch Sprüche von der angeblichen Auferstehung nicht ernst genommen. Was fällt den angeblichen Freunden ein. Und er wird drastisch: „Wenn ich nicht in Jesu Wunden fassen kann, kann ich das nicht glauben!“ Und damit basta!

Und dann passiert das, was stets passieren kann, wenn man sich auf diesen Jesus von Nazareth, aus diesen, der jetzt immer mehr der Christus genannt wird, einlässt, selbst wenn man doch eigentlich in Ruhe gelassen werden möchte. Jesus lässt Thomas nicht in seine ungläubige Bockigkeit, die doch nur verzweifelte Trauer und Enttäuschung mit kühlen Vernunftargumenten überdecken will. Jesus tritt Thomas und seinen Freunden wieder gegenüber. Jesus lässt in seinen Wunden rühren, er lässt sie durch Thomas anfassen, damit dessen Schmerz, Wunden, Verletzungen heil werden, damit Thomas‘ Leben zwar Zweifel zulassen kann, diese aber nicht zur Verzweiflung werden müssen. Thomas erfährt, dass Verdrängung keine gute Lösung ist, und dass im scheinbar Schrecklichen – in Jesu Wunden zu fassen – ein Weg fürs Leben liegen kann. Und so hat Jesus in den 2000 Jahren seit seinem irdischen Leben und Lehren, seit Kreuzigung und Auferstehung immer wieder neu Menschen entscheidend und heilsam berührt, indem er sich berühren lässt. Eben durch seine Wunden, durch seine Verheißung, durch seinen Weg durch Tod zum Leben. Das ist ein einer immer wieder neuer Weg, für mich, dich, uns alle!

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!


Stephen Gerhard Stehli, Domgemeindekirchenratsvorsitzender

P.S.: Eine berühmte und ziemlich „handfeste“ Darstellung der Begegnung zwischen Jesus und Thomas nach der Auferstehung von Caravaggio. Sie können sie in Potsdam „live“ ansehen.