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Wortbrücke zum 2. Sonntag nach Trinitatis (18. Juni 2023)
Einheit, Einigkeit
An diesem Wochenende jährt sich mit dem 17. Juni der „Tag der deutschen Einheit“, der von 1954 bis 1990 in der alten Bundesrepublik an den Volksaufstand in der DDR vor 70 Jahren erinnerte – ein angenehm arbeitsfreier Feiertag, dessen Bedeutung immer mehr in den Hintergrund trat.
Der Text der Nationalhymne der Deutschen Demokratischen Republik mit der Zeile „Deutschland, einig Vaterland“ durfte in der DDR zuletzt 20 Jahre lang nicht gesungen werden. Den Text der jetzt gesamtdeutschen Hymne „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“ kennen viele Deutsche gar nicht.
Einigkeit bleibt ein Ziel. Erreicht ist sie noch nicht.
Der Wunsch nach deutscher Einheit schien vor der „Wende“ oft nur westliches Lippenbekenntnis. Ein Grund war sicher, dass man sich kaum noch kannte und nur die „armen unterdrückten Schwestern und Brüder“ im Osten bemitleidete. In den Kirchen dagegen, vor allem den evangelischen, wurde der Kontakt zwischen den Gemeinden gefördert und gelebt. Man konnte sich gegenseitig kennenlernen, oft auch zu Hause besuchen. Das Bewusstsein dafür, dass der christliche Glaube über alle Grenzen hinweg die Menschen eint, schaffte eine Grundlage dafür.
In der Epistel für den 2. Sonntag nach Trinitatis hören wir „ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“ (Eph 2,19) Das gilt allen Menschen, denn wir sind alle Gottes Kinder – gleich welcher Herkunft, Sprache, Hautfarbe … . Es gilt besonders allen Christen, allen Getauften. Der Taufstein im Magdeburger Dom wird hier seit dem 10. Jahrhundert genutzt. Das war noch vor der großen Kirchenspaltung von 1054 in Westkirche (römisch-katholisch) und Ostkirche (orthodox).
Was eint uns? Wir glauben, dass alle Menschen „zum Bilde Gottes“ geschaffen sind, wie es im Ersten Testament steht (Gen 1,27). Das ist die Grundlage für Menschenrechte und Menschenwürde für alle – Einigkeit darüber sollte die Folge sein. Das Ziel haben wir noch nicht erreicht. Immer wieder gehen Menschen auf die Straße, um – wie im „Pride Month“ Juni – an Defizite in der Umsetzung der Menschenrechte zu erinnern. Die Regenbogenfahne steht dabei für die Vielfalt in der Einheit ebenso wie für den Bund Gottes mit den Menschen (Gen 9,13). Auf diese Zusage können wir uns verlassen, aber nicht darauf ausruhen. Einigkeit macht Mühe, aber diese Mühe lohnt sich.
Herzlich grüßt Sie
Ihre Prädikantin Helga Fiek
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