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Wortbrücke zur Gemeinde, am 1. Sonntag nach dem Christfest, 29.12.2024
Im Evangelium für diesen Sonntag werden wir an Simeon und Hanna erinnert, die ihr ganzes Leben darauf gewartet haben, dass sich die Verheißung auf den Retter erfüllt. Leise und geduldig wartet Simeon, ist dabei alt und grau geworden, dennoch verbitterte er nie und blieb geduldig. Seine Augen blieben jung und leuchtend, sein Blick in die Zukunft gerichtet, er vertraute Gott. Als er das Kind in den Armen hält, weiß er, dass seine Hoffnung nicht vergeblich war. Auch wenn das kleine Jesuskind noch schwach ist und verfolgt wird, sagt Simeon „Meine Augen haben den Heiland gesehen.“
Liebe Gemeinde, mir geht diese Geschichte sehr nahe, alt und grau werden und nicht verbittern am Leben. Großartig dieser Simeon! Er konnte nur durch Hoffnung im Gleichgewicht bleiben. Wie geht es uns? Im Laufe des Lebens türmen sich die Verletzungen, Enttäuschungen, Treubrüche, Trennungen, sowie unsere eigene Sündhaftigkeit und Gebrochenheit. Wir erleben Ungerechtigkeiten, Gewalt, Sinnlosigkeit und dabei empfinden wir jeweils unterschiedlich Schmerz. Schmerz verwundet uns immer wieder und wir tragen zwangsläufig alle Wunden in uns.
Wie gehen wir mit unseren Wunden des Lebens um? Am Ende dieses Jahres sind gerade wir hier in unserer Stadt verwundet. Wie schaffen wir es darüber nicht zu verzweifeln, nicht zu verbittern und nicht zynisch und negativ zu werden?
Lasst uns nicht die Wunden, den Schmerz leugnen, verbergen oder gar auf andere abschieben. Wenn wir doch Wege finden können unseren Schmerz und unsere Wunden zu verwandeln! Lasst es nicht festsitzen in uns und weitergeben an die, die uns am nächsten sind, unsere Familien, unsere Nachbarn, Kollegen und auch nicht an die Verwundbarsten – unsere Kinder!
Jede Situation, in der wir irgendeine Form von Leiderfahrung machen, kann uns etwas lehren. Es ist eine völlige Illusion zu glauben, wir hätten Kontrolle im Leid. Wir können dies nur an Gott und an den Fluss der Realität abgeben. Wir alle landen am Ende ohnehin wieder an dem Ort der „Armut“ und Machtlosigkeit, weglaufen bringt uns nicht weiter. Machen wir in allem Schmerz die „Himmelstore“ für uns auf, im hier und jetzt! Insofern ist Erlösung kein Evakuierungsplan, sondern ein Befreiungsplan.
Jesus wird, vom Christfest aus gesehen, freiwillig und aus Liebe zum Opfer. Er trägt den Schmerz der Menschen und weigert sich, ihn abzuweisen. Er trägt den Schmerz, das ist etwas anderes als rationales Verstehen.
Hoffnung, liebe Geschwister, ist wie eine Belohnung auf die geübte Fähigkeit weise, ruhig und mit weitem Herzen zu leiden. Unser Ego fordert Erfolg, um zu überleben. Unsere Seele braucht Sinn, um zu gedeihen. Aber Hoffnung sorgt auf ihre Weise, dass wir uns in unserem Schmerz mit allen anderen vernetzen und letztendlich besonders mit Gott.
Ihre Sybille Aumann
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