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Wortbrücke in die Domgemeinde zu Pfingsten 2022
Himmelfahrt als Himmelsgang
Es sitzt ihnen noch in den Knochen. Diese Bilder. Im kalten Morgengrauen sahen sie wie sie
Jesus folterten und zur Kreuzigung schleppten und nur die Frauen gingen mit. Die Männer
blieben zurück bis auf Johannes. Petrus weinte voller Scham und Angst.
Als sie dem Auferstandenen begegnen, da brannte in ihrem Herzen die Flamme. Und dann
wird er in den Himmel aufgehoben. Ohne Ross und Schlachtwagen, zu Fuß geht er in den
Himmel. Christus bleibt sich treu.
Gewaltfrei, ohne Macht aber nicht
ohnmächtig: vom Eselseinzug über
den Kreuzweg bis zum
Himmelsgang. Er besiegt waffenlos
Tod und Sünde, Hass und Gewalt
und alle Früchte des Geistes
scheinen greifbar nahe: Liebe,
Freude, Frieden, Geduld,
Freundlichkeit, Güte, Langmut,
Sanftmut und Treue und was der
Geist alles schenken kann. Aber sie,
sie haben Angst, nichts als Angst
und sind zerrissen zwischen ihren
Erfahrungen mit ihm, seinen Worten
und den schrecklichen Bildern. „Die
Römer verstehen nur die Sprache
der Gewalt und Stärke, lasst uns zu
den Waffen greifen“ sagen die
Zeloten unter den Jüngern, andere
sind gelähmt und die unerwartete
Begegnung mit dem
Auferstandenen überzeugt nicht alle. Viele zweifelten. Vielleicht streiten sie, so wie wir in der
Pandemie und im Krieg über den richtigen Weg. Was würde Jesus jetzt sagen?
Zwischen Babel und Pfingsten
Die einen sagen, um der Gerechtigkeit und Nächstenliebe willen ist es so klar: Wer andere
töten und unterjochen will, der muss mit Waffen gestoppt werden. Andere mahnen, dass mit
Waffen kein Frieden zu schaffen ist, sondern sich das Leid und Sterben nur vergrößert.
Wieder andere erinnern an Jesu Gewaltlosigkeit und an die Erfahrungen der Zeitenwende die
wir erlebt haben, als wir „Schwerter zu Pflugscharen“ schmiedeten und die Mauern gewaltlos
zu Fall brachten. Viele sind innerlich zerrissen und vieles verschwimmt jetzt im Nebel des
nahen Krieges.
Seit Februar ringen wir um Worte und um Entscheidungen, um eine Antwort auf die Frage,
was das sinnlose Leiden in der Ukraine beendet. Wir spüren, dass jede Antwort in Schuld
führt. In den heftigen Reaktionen auf eher zurückhaltende Positionen höre ich den Ernst, das
Gute und Richtige zu tun und denen nah zu kommen, die sich den Krieg nicht fernhalten
können. Um das, was zu tun ist, ringen wir in verschiedenen Sprachen und Logiken und
suchen was Frieden schafft und das Leiden beendet. Wie können wir mit den verschiedenen
Sprachen beieinander bleiben? Ist Babel stärker als Pfingsten?
Erst einmal einmütig beten, segnen und die Hände reichen
Die Jünger und Jüngerinnen aber bleiben zusammen. Sie kehren nach Jerusalem zurück in
das Obergemach des Hauses, in dem sie immer einkehren. Es sind mehr als nur die elf auf
Emil Noldes Bild, wo wir das Zentrum dieser Pfingstversammlung sehen und uns die Frauen
und Maria, die Mutter Jesu, und seine Brüder im äußeren Kreis vorstellen.
Sie sind einmütig im Gebet versammelt, so sehen wir es vor Augen - als Wunderbares
geschieht. Die Flamme im Herzen lodert wieder auf und ergreift alle bis zu den Haarspitzen.
Der Heilige Geist kommt über sie. Das Feuer der Liebe brennt hell. Der Geist schenkt ihnen
Worte, jedem in seiner Mutter Sprache. Er löst ihre Zungen und sie erfahren: Es ist
beglückend, verschiedenen Sprachen zu sprechen und trotzdem eines Geistes zu sein und
einander zu verstehen. Das Bild zeigt das einmütige Gebet der Jünger. Keine Aktivität nach
draußen wird hier sichtbar. Aber die Hände sprechen. Die gefalteten Hände - vom beseelten
Gebet. Die Hand auf der Schulter - von Trost, Beistand und Segen. Und die Hände auf dem
Tisch, die einander gereicht werden sprechen von Versöhnung und dem sich endlich wieder
die Hände reichen. Das ist es was wir in diesem Jahr zu Pfingsten brauchen. Zu viele waren
schreiend draußen und es hat nicht zum Verständnis und nicht zu Freude und Einmütigkeit
geführt. Wir verstehen uns immer weniger. So brauchen wir das einmütige Gebet und den
Beistand und das Händereichen trotz der verschiedenen Ansichten.
Für Dich ist Platz im inneren Kreis und Du kannst nah herantreten an den Tisch. Innig beten,
Trost erfahren und die Hände zur Versöhnung reichen. Und so gestärkt in der Gemeinschaft
gehen die Türen auf und der Geist weht die Gemeinde hinaus. Und sie werden zu Segensund Friedensbringern und verkündigen die frohmachende Botschaft. Der Geist wehe und
schenke Dir ein geistreiches und gesegnetes Pfingstfest!
Landesbischof Friedrich Kramer
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